Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori will die Branche noch mehr ins öffentliche Bewusstsein rücken
Rund 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Hessen haben beim Kreativwirtschaftstag 2024 diskutiert, Kontakte geknüpft und spannende Impulse für Wirtschaft und Gesellschaft gesetzt. Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori betonte die ganz unmittelbare Wirkung der hessischen Kreativwirtschaft: 2022 erzielte diese mit knapp 130.000 Erwerbstätigen einen neuen Rekord-Umsatz von rund 16,8 Milliarden Euro.
Carsten Waldeck ist ein wenig erschöpft, aber glücklich. Seit dem Morgen hat der studierte Kommunikationsdesigner auf und neben der Bühne des Kreativwirtschaftstags über seine zahlreichen Projekte gesprochen: Über die Entstehungsgeschichte des von ihm und seinem Bruder Samuel entwickelten ersten deutschen Smartphones, das modular aufgebaut, einfach zu reparieren und seit inzwischen zehn Jahren das Standbein ihrer SHIFT GmbH mit Sitz im kleinen Örtchen Falkenberg in Nordhessen ist. Über die vielen weiteren technischen Produkte, mit denen die innovative Firma inzwischen am Markt Erfolge feiert. Und vor allem über den ungewöhnlichen Antrieb hinter all diesen Projekten, bei denen Sinn- statt Gewinnorientierung im Mittelpunkt steht und neue unternehmerische Eigentumsstrukturen mit Bezug auf Verantwortung und Nachhaltigkeit ausprobiert werden. „Das war heute ein schöner und intensiver Austausch mit ganz vielen kreativen Köpfen. Eine solche Dichte an produktiven Gesprächen und neuen Ideen bei einem Event gibt es selten, das macht den Kreativwirtschaftstag zu etwas Besonderem“, sagt Waldeck.
Carsten Waldeck, Gründer der SHIFT GmbH mit Sitz in Falkenberg in Nordhessen. (Foto: Christof Mattes)
Gerade ist auf der Mainstage die letzte große Gesprächsrunde des Tages zu Ende gegangen, bei der Konfliktforscherin Prof. Dr. Nicole Deitelhoff, Kulturjournalist Nils Minkmar und das Publikum über das Thema „Connecting Worlds – Designing Democracy“ diskutiert haben. Während sich viele der rund 600 Besucherinnen und Besucher nun zum entspannten Ausklang auf die große Dachterrasse mit Blick auf die Hochhäuser der Frankfurter City begeben, nutzt Carsten Waldeck die kurze Pause zum Durchatmen. „Ich habe heute alte Bekannte wiedergesehen, die ich seit meiner Studienzeit nicht mehr getroffen hatte, und gleichzeitig neue spannende Kontakte geknüpft. Das war ein großartiger Austausch über konkrete Produktideen und technische Details, aber auch über Politik, Nachhaltigkeit und wie wir unsere Gesellschaft gestalten wollen“, sagt Carsten Waldeck. „Das ist schon eine außergewöhnliche Mischung für einen Branchentreff.“
Kulturjournalist Nils Minkmar und Konfliktforscherin Prof. Dr. Nicole Deitelhoff. (Foto: Christof Mattes)
Bereits zum siebten Mal veranstaltete die Geschäftsstelle Kreativwirtschaft bei der HA Hessen Agentur GmbH den Kreativwirtschaftstag im Auftrag des Hessischen Wirtschaftsministeriums als Plattform zur Vernetzung und zum Austausch. Für Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori die ideale Gelegenheit, der Kultur- und Kreativwirtschaft zu mehr öffentlicher Aufmerksamkeit zu verhelfen und selbst in die besondere Atmosphäre mitten in Frankfurt einzutauchen. „Hier herrscht ein etwas anderer Ton und es zeigt sich die Vielfalt unserer hessischen Wirtschaft noch stärker als bei klassischen Tagungen oder Veranstaltungen. Das ist eine tolle Inspiration und strahlt als Innovationsmotor in zahlreiche andere hessische Branchen aus, denn die Designer, Künstler und Kreativschaffenden bilden eine wichtige Grundlage für unsere Wirtschaft und für unsere Gesellschaft. Deshalb wollen wir sie nicht nur durch unsere zahlreichen Förderprogramme unterstützen, sondern ihnen vor allem eine Bühne bieten, um ihnen eine angemessene Wertschätzung entgegenzubringen“, so Minister Mansoori.
Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori. (Foto: Christof Mattes)
Bei seiner Eröffnungsrede betont er außerdem die ganz unmittelbare Wirkung der hessischen Kreativwirtschaft: 2022 erzielte diese mit knapp 130.000 Erwerbstätigen einen neuen Rekord-Umsatz von rund 16,8 Milliarden Euro. „Mit dem World Design Capital 2026 in Frankfurt und der Rhein-Main-Region werden wir die Kreativbranche noch einmal stärker in das öffentliche Bewusstsein bringen und zeigen, dass sie schon lange ein echter ‚Hidden Champion‘ für Hessen ist“, betont Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori. Dann muss er weiter zu einem Fernsehinterview, in dem er die Branche ein weiteres Mal hervorheben wird. Zeit zum Durchatmen bleibt ihm beim Kreativwirtschaftstag nicht – „das mache ich dann heute Abend beim Kochen oder beim Sport, wenn ich mir meine eigenen kreativen Räume suchen und neue Ideen entwickeln kann“, nimmt es der Minister gelassen.
Elif Yilmaz von Zelthaus und ihr Kollge. (Foto: Christof Mattes)
Auf der großen Dachterrasse zwischen den Frankfurter Hochhäusern steht währenddessen Elif Yilmaz und erklärt die Details von Zelthaus. Das südhessische Start-up hat ein Konzept für temporäre Unterkünfte entwickelt, das die Flexibilität eines Zeltes mit der Dämmung eines Hauses verbindet. Dadurch bietet es beispielsweise in Flüchtlingslagern oder in der Katastrophenhilfe eine optimierte Form von Unterkünften. Den Beweis tritt Elif Yilmaz direkt an – während heftige Regenschauer die restlichen Besucher von der Terrasse vertreiben, kann sie bestens geschützt im originalgroßen Prototyp die Vorzüge des Zelthauses präsentieren. „Das Interesse heute ist ungewöhnlich groß und viele Besucher bringen direkt eigene Ideen mit, wie wir das Design oder die Technik vielleicht noch optimieren könnten. Da sind viele tolle Rückmeldungen dabei und vor allem auch viel Unterstützung für unseren sozialen Ansatz – das scheint den Kreativen sehr wichtig zu sein“, freut sich Yilmaz.
Dabei ist das Netzwerk von Zelthaus eigentlich schon groß. Nicht zuletzt dank des Hessischen Gründerpreises, den das Start-up 2020 in Kassel gewann, hat sich das Konzept herumgesprochen. „Aber durch den Kreativwirtschaftstag haben wir viele weitere Einladungen und Kontakte erhalten, das ist ein ganz wichtiger Input für uns“, sagt Elif Yilmaz. „Die Leute sind hier einfach sehr offen für neue Ideen. Und das treibt natürlich Innovationen voran.“
Nico Breycha und Benjamin Wührer von One More Cup Studios. (Foto: Christof Mattes)
Davon profitieren auch Nico Breycha und Benjamin Wührer. Zusammen mit Jule Randzio haben sie an der Hochschule Darmstadt die One More Cup Studios gegründet, um sowohl Videospiele zu entwickeln als auch auf B2B-Ebene ihr Know-how an Unternehmen zu vermarkten. Ein Ergebnis stellen sie auf der Ausstellungsfläche des Kreativwirtschaftstags vor: Während im Hintergrund die Vorträge auf der Mainstage per Livestream übertragen werden und nebenan Panel-Diskussionen und Workshops stattfinden, laden Nico Breycha und Benjamin Wührer zum Zocken ein. „Unser kleines Game ‚Streaker Cup! 2024‘ haben wir für einen Kunden entwickelt, der eine spaßige Aktion zur Fußball-EM haben wollte. Die Spieler können im Retro-Stil einen Flitzer auf dem Fußballfeld steuern, der vor den Ordnern davonrennen und -springen muss. Das Ganze ist natürlich mit einem Augenzwinkern gemacht und bietet dem Kunden neben lockerer Unterhaltung für seine Geschäftspartner auch die Möglichkeit zur digitalen Bandenwerbung im Game“, erläutert Nico Breycha.
Ihr Repertoire präsentieren die beiden Gamedesigner zusammen mit weiteren Entwicklern am großen Stand von Hessen Games. „Das hilft bei der Vernetzung, genauso hatten wir das schon beim hessischen Gemeinschaftstand auf der Gamescom in Köln. Aber anders als bei den Fachmessen aus unserer eigenen Branche können wir hier ganz neue Kontakte knüpfen und auch mal über den Tellerrand schauen. Vorhin hatten wir ein spannendes Gespräch mit einem Besucher, der die Digitalisierung im Pflegebereich vorantreibt – das hat spontan ganz neue Anknüpfungspunkte ergeben, aus denen wir vielleicht gemeinsam ein konkretes Projekt entwickeln können“, sagt Benjamin Wührer.
Sophie Stender ist freiberuflicher Coach. (Foto: Christof Mattes)
Ein Stockwerk höher bereitet sich gerade Sophie Stender auf ihre Moderation am Round Table vor. Bei der Panel-Diskussion „Connecting New Media and Democracy“ geht es um Falschmeldungen im Internet und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft. „Diese Themen bei einem Branchentreffen miteinander zu verknüpfen ist tatsächlich ungewöhnlich. Da zeigt sich das besondere Interesse der Kreativbranche, die ja an der Gestaltung des Programms selbst beteiligt war“, sagt Stender, die als freiberuflicher Coach Einblicke in die unterschiedlichsten Wirtschaftsbereiche erhält.
Da sie selbst aus Gießen stammt, freut sie sich besonders über die regionale Vielfalt beim Kreativwirtschaftstag. „Es geht hier nicht nur um die traditionell starke Region Frankfurt-Rhein-Main, sondern um die ganze Breite der Branche. So können alle voneinander lernen und auch ich als Moderatorin kann hier völlig neue Eindrücke gewinnen“, sagt Sophie Stender kurz vor ihrem Auftritt.
Rund 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben beim Kreativwirtschaftstag diskutiert. (Foto: Christof Mattes)
Etwas später, als sich die Besucher nach der letzten Diskussionsrunde zum entspannten Ausklang zur Dachterrasse begeben, kehrt hinter den Kulissen langsam etwas Ruhe ein. Daniela Hartmann und Franziska Warnke, Projektmanagerinnen bei der Geschäftsstelle Kreativwirtschaft der HA Hessen Agentur GmbH helfen noch beim Abbau und beantworten Fragen von Besuchern, bevor auch die beiden Organisatorinnen des Kreativwirtschaftstages den Abend zum lockeren Netzwerken bei Snacks und Getränken nutzen können.
„Aus diesen vielen Verbindungen innerhalb der Branche entstehen immer wieder neue Ansätze, die sich gegenseitig verstärken und spannende Lösungen hervorbringen. Die hessischen Kreativen dabei bestmöglich zu unterstützen, zahlt sich also nicht nur wirtschaftspolitisch und gesellschaftlich aus, sondern ist auch persönlich bereichernd“, betonen Daniela Hartmann und Franziska Warnke. „Wir freuen uns deshalb jetzt schon auf die achte Ausgabe unseres etwas anderen Branchentreffs im kommenden Jahr!“, sagt Susanne Stöck, Projektleiterin der Geschäftsstelle – den 27. Juni 2025 können sich Hessens Kreative also schon einmal vormerken.
Kreativwirtschaftstag 2024
Die Konferenz der Kultur- und Kreativwirtschaft beschäftigt sich mit aktuellen Herausforderungen für Branche und Gesellschaft. Die Themen Künstliche Intelligenz, Innenstadtkrise, Nachhaltigkeit, Design und Demokratie standen im Fokus des siebten Kreativwirtschaftstags in Frankfurt. Rund 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzten die Konferenz unter dem Motto „connecting worlds. neues gestalten.“ zu fachlicher Inspiration und Vernetzung mit Politik, Verwaltung, Hochschulen und anderen Branchen.
Der Kreativwirtschaftstag wird dabei von der Branche für die Branche organisiert. Die Kultur- und Kreativwirtschaft setzt sich aus den Teilmärkten Software- und Games-Industrie, Werbemarkt, Designwirtschaft, Pressemarkt, Architekturmarkt, Filmwirtschaft, Buchmarkt, Musikwirtschaft, Markt für Darstellende Künste, Rundfunkwirtschaft und Kunstmarkt zusammen.
Als Vernetzungs- und Beratungsstelle der Kultur- und Kreativwirtschaft in Hessen veranstaltete die Geschäftsstelle Kreativwirtschaft bei der HA Hessen Agentur GmbH den Kreativwirtschaftstag bereits zum siebten Mal im Auftrag des Hessischen Wirtschaftsministeriums. Die achte Ausgabe findet am 27. Juni 2025 statt.